23 starke Programmpunkte zum Thema „Sichere Diagnose. Richtige Behandlung“ für mehr Patientensicherheit – Expert:innen und Betroffene im Dialog
Berlin, den 19. September 2024. Das Aktionsbündnis Patientensicherheit informierte anlässlich des Welttags der Patientensicherheit über das diesjährige Schwerpunktthema „Sichere Diagnose. Richtige Behandlung“. Dabei kamen in 23 Programmpunkten Expert:innen aus dem Gesundheitswesen, Politiker:innen, Medienschaffende und Patient:innen mit ihren Perspektiven und Erkenntnissen zu Wort. Auf der Festveranstaltung diskutierten sie verschiedene Aspekte des Themas Diagnosesicherheit, um sich gemeinsam für eine Verbesserung von Patientensicherheit einzusetzen.
„Lassen Sie uns gemeinsam mutig sein und ehrlich über die Herausforderungen in der Patientensicherheit sprechen.“ Mit diesem Appell eröffnete Dr. Ruth Hecker, Vorsitzende des Aktionsbündnis Patientensicherheit, die Festveranstaltung zum Welttag der Patientensicherheit. Patientensicherheit ist noch nicht das Entscheidungskriterium über Denken und Handeln der politischen Entscheidungsträger sowie der Organisationen im Gesundheitswesen. Dies müsse sich ändern. Das Aktionsbündnis Patientensicherheit lege den Finger in die Wunde und fordere alle zu Mut, Ehrlichkeit und Transparenz auf, das aber diplomatisch und vor allen Dingen mit hohem Respekt vor denjenigen, die sich täglich ihren gesundheitsberuflichen Herausforderungen stellen, um Patient:innen bestmöglich zu versorgen. „Patientensicherheit ist ein hoher gesellschaftlicher Wert – und es ist unserer aller Pflicht, dafür zu sorgen! Der Dank gilt vor allem denjenigen, die sich schon heute dafür einsetzen.“
Sabine Dittmar, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium (BMG), betonte in ihrem Grußwort, dass die Förderung der Patientensicherheit bei der gesundheitlichen Versorgung für das BMG ein vorrangiges Ziel und der Leitgedanke bei der Weiterentwicklung des Gesundheitswesens sei. Deswegen gelte es auch, die Diagnosesicherheit zu verbessern: „Das zügige und effiziente Stellen einer korrekten Diagnose steht am Anfang einer jeden erfolgreichen Behandlung“, so Dittmar. „Fehler haben weitreichende Folgen – für die Patient:innen, Behandelnde und für das Gesundheitssystem. Jede falsche oder verzögerte Diagnose kann zu erheblichen gesundheitlichen Risiken führen und medizinische Ressourcen wie Zeit, Personal und finanzielle Mittel können dann nicht effektiv eingesetzt werden.“
Die Parlamentarische Staatssekretärin und das Aktionsbündnis Patientensicherheit benennen daher die Verbesserung der Diagnosesicherheit als wichtiges Ziel für alle Bereiche des Gesundheitswesens: von der Früherkennung über die Prävention und Digitalisierung bis zur Ausbildung in der disziplinären und professionellen Zusammenarbeit. Dabei sei es unverzichtbar, die Erfahrungen der Patient:innen in alle Bemühungen einzubeziehen. „Wir dürfen nie vergessen, dass die Behandelten diejenigen sind, die den Weg durch alle Versorgungsebenen aus eigenem Erleben am besten kennen“, so Dittmar.
Die Bundesdatenschutzbeauftragte Professor Dr. Louisa Specht-Riemenschneider adressierte in ihrem Grußwort die Digitalisierung, die Generalsekretär Joachim Maurice Mielert beim Aktionsbündnis Patientensicherheit im Blick hat. Datenschutz und Patientensicherheit stehen bei der digitalen Transformation des Gesundheitswesens im Mittelpunkt und sie freue sich auf den regen Austausch und Zusammenarbeit.
Ricarda Milstein stellte in ihrem Vortrag die Preview zu einer OECD-Studie vor, nach der bei rund 15 Prozent der Kinder mit Asthma in Großbritannien überdiagnostiziert und zu 40 Prozent unterdiagnostiziert wird. Weltweit bleibt ein großer Teil der Menschen mit chronischen Erkrankungen wie COPD und Asthma unentdeckt.
Professor Dr. Ursula Müller-Werdan, 3. stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin e.V. (DGIM) zeigte in ihrem Vortrag eine positive Entwicklung in der Altersmedizin auf: „Seit 1970 verzeichnen wir in Deutschland auch eine deutliche Zunahme der Lebenserwartung der ab 65-Jährigen. Momentan sind es 20 Jahre für Frauen, 17 Jahre für Männer.“ Gleichzeitig nehmen die körperlichen Gebrechen und Krankheiten im Alter jedoch deutlich zu: „Nur einer von zehn 85-Jährigen hat keine chronische Erkrankung, die meisten 85-jährigen leiden unter fünf bis sechs chronische Erkrankungen gleichzeitig. Diese Multimorbidität ist die eigentliche Krux in der Medizin des alten Menschen.“ Altersmedizin müsse daher nicht nur die Verlängerung des Lebens forcieren, sondern Begleit- und Folgeerkrankungen behandeln „Wir wollen möglichst gesund altern!“ Die DGIM hatte die Schirmherrschaft der Veranstaltung inne.
Diagnosesicherheit als Grundstein für Patientensicherheit
„Diagnosesicherheit ist der Grundstein für Patientensicherheit und für eine effektive und gerechte Gesundheitsversorgung“, sagte Dr. Nikhil Gupta, Technical Officer des Patient Safety Flagship der World Health Organisation (WHO). „16 Prozent aller vermeidbaren unerwünschten Ereignisse sind auf Diagnosefehler zurückzuführen.“ Um diese und deren dramatischen Auswirkungen zu verhindern, seien grundlegende Veränderungen in den Gesundheitssystemen notwendig. Zudem müsse das Bewusstsein aller Beteiligten für ihre Eigenverantwortung gestärkt werden: vom medizinischen Personal über das Management von medizinischen Einrichtungen und politischen Entscheidungsträgern bis zu jeder einzelnen Person.
Der lange Weg zur Diagnose – Eindrückliche Erfahrungsberichte von Betroffenen
Welche schmerzhaften und nachhaltig schädigenden Auswirkungen Fehldiagnosen haben können, schilderten zwei Patientinnen. Beide litten seit ihrer Pubertät an extremen Schmerzen und suchten immer wieder erfolglos ärztliche Hilfe. „Bei mir hat es 31 Jahre bis zur Diagnose Endometriose gedauert“, erzählte eine der beiden Frauen. „Ich habe neun Gynäkologen aufgesucht, bis mich endlich jemand in ein Endometriose-Zentrum überwiesen hat. Bei den letzten vier Ärzten hatte ich sogar Artikel über diese Erkrankung dabei und wurde trotzdem nicht ernst genommen.“
Die zweite betroffene Patientin ergänzte: „Vielen Frauen wird gesagt: Das ist psychosomatisch. Sie bilden sich das alles nur ein!“ Wichtig sei deshalb, auf sich selbst zu hören: „Vertrauen Sie sich selbst und sagen Sie im Zweifel: Hier stimmt etwas nicht, ich will eine Zweitmeinung. Das ist wahnsinnig anstrengend, aber oft der einzige Weg.“
Eine weitere dritte Patientin schilderte im Video-Beitrag, wie sie nur durch Selbstbewusstsein und ihr Drängen auf eine Zweitmeinung eine unnötige Nachoperation vermeiden konnte.
Medizinjournalismus dient der Patientensicherheit
Erstmals verlieh das Aktionsbündnis Patientensicherheit den Journalistenpreises für die Berichterstattung über Patientensicherheit. Damit wurden Dr. Lucia Schmidt (FAZ Gesundheitspodcast) und das Team um Samuel Kirsch und Arta Ramadani (ZDF) für ihre Berichterstattung über Patientensicherheit geehrt. Die Jury, unter Vorsitz von Vorstandsmitglied Philipp Rodenberg, setzte sich aus namhaften Medienvertreter:innen von Fach- und Publikumsmedien zusammen und hatte aus knapp 30 Beiträgen zwei Sieger erkoren. Michaela Engelmeier vom Sozialverband Deutschland hielt bei der Verleihung eine einleitende Keynote „Was macht seriöse Berichterstattung für so ein wichtiges Thema wie Patientensicherheit aus?“.
In seinem Schlusswort dankte Dr. Christian Deindl, stellvertretender Vorsitzender des Aktionsbündnis Patientensicherheit, den Teilnehmenden, Patient:innen und Expert:innen für den konstruktiven und respektvollen Austausch. Eine Kommunikation auf Augenhöhe sei nicht nur heute, sondern auch an allen Standorten des Gesundheitssystems ein unverzichtbarer Baustein für die Patientensicherheit. Er rief abschließend dazu auf, dass alle gemeinsam an vorhandene Rahmenbedingungen einhalten und Strukturen im Gesundheitswesen endlich optimieren, sodass der Welttag der Patientensicherheit 2024 als Tag der Motivation zur Patientensicherheit und nicht nur zur Defizitauflistung in Erinnerung bleibt.
Der Welttag im Überblick
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ruft jedes Jahr zwölf Aktionstage zu unterschiedlichen Gesundheitsthemen aus. Einer davon ist der 17. September, der Welttag der Patientensicherheit. Dieser Tag soll das Bewusstsein für die Bedeutung von Patientensicherheit in der Gesundheitsversorgung schärfen und wird in diesem Jahr die Diagnosesicherheit in den Fokus nehmen. Der Globale Aktionsplan zur Patientensicherheit 2021–2030 betont die Notwendigkeit, die Sicherheit diagnostischer Prozesse zu gewährleisten. Das Ausmaß der Diagnosefehler ist enorm und macht fast 16% des vermeidbaren Schadens im Gesundheitssystem aus (Quelle: WHO). Es wird angenommen, dass die meisten Erwachsenen wahrscheinlich mindestens einmal in ihrem Leben einen Diagnosefehler erleben. Deshalb muss erheblich daran gearbeitet werden, die Sicherheit der diagnostischen Prozesse zu verbessern.
Der Welttag der Patientensicherheit wurde 2019 erstmals von der WHO ausgerufen, nachdem er vom Aktionsbündnis Patientensicherheit e. V. (APS) in Deutschland initiiert wurde. Das APS koordiniert die Aktivitäten zum Welttag der Patientensicherheit in Deutschland und orientiert sich dabei an dem Motto der WHO für 2024: ”Improving diagnosis for patient safety!”
Siehe https://www.tag-der-patientensicherheit.de/
Über das Aktionsbündnis Patientensicherheit e. V. (APS):
Vertreter:innen der Gesundheitsberufe, ihrer Verbände, der Patientenorganisationen sowie aus Industrie und Wirtschaft haben sich im Aktionsbündnis Patientensicherheit e. V. (APS) zusammengeschlossen, um eine gemeinsame Plattform zur Verbesserung der Patientensicherheit in Deutschland aufzubauen. Zusammen entscheiden und tragen sie die Projekte und Initiativen des Vereins. Das APS wurde im April 2005 als gemeinnütziger Verein gegründet. Es setzt sich für eine sichere Gesundheitsversorgung ein und widmet sich der Erforschung, Entwicklung und Verbreitung dazu geeigneter Methoden. Patienteninformationen und Handlungsempfehlungen entstehen beim Aktionsbündnis Patientensicherheit durch Erarbeitung in ehrenamtlich tätigen Arbeitsgruppen zu unterschiedlichen Patientensicherheitsthemen, aus der Praxis für die Praxis, und bilden das Herzstück der Arbeit.
Pressekontakt beim Aktionsbündnis Patientensicherheit:
Aktionsbündnis Patientensicherheit e. V. Melanie Hansen
Alte Jakobstraße 81
10179 Berlin
Tel. +49 (0)30 36 42 81 6-27
hansen@aps-ev.de
www.aps-ev.de
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PM: Veranstaltung des Aktionsbündnis Patientensicherheit zum Welttag der Patientensicherheit (PDF)
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