Ein Rückblick: Die 17. APS-Jahrestagung, 29. bis 30. August in Essen

24.09.2024 | Allgemein

Im Eröffnungsteil des Kongresses unter anderem mit Grußwort von Thomas Kufen, Oberbürgermeister der Stadt Essen, wurde deutlich: Die Entscheidung, die 17. Jahrestagung des Aktionsbündnisses Patientensicherheit im Universitätsklinikum Essen abzuhalten, war äußerst passend. Das Uniklinikum steht für herausragende Forschung und geballtes Wissen, die unverzichtbare Grundlagen für eine kontinuierliche Verbesserung der Patientensicherheit bilden.

Am 29. und 30. August 2024 fand die 17. APS-Jahrestagung im Deichmann-Auditorium der Universitätsmedizin Essen mit 240 Teilnehmenden statt. Zusammengekommen waren alle Professionen aus dem Gesundheitswesen genauso wie Patientinnen und Patienten, um gemeinsam einen weiteren Schritt in Richtung einer sichereren Patientenversorgung zu gehen.

Das Bild, mit dem die Tagung aufmachte, war: Stellen Sie sich vor, Sie fahren Einrad. Was braucht es auf diesem wackeligen Gefährt, in einer gewissen Höhe – insgesamt nicht ungefährlich – voranzukommen, Musik zu hören und Kaffee zu trinken?

Das was alle Beteiligten brauchen für mehr Sicherheit in der Gesundheitsversorgung? Willen? Mut? Fehlertoleranz? Balance? Durchhaltevermögen? Was noch? Und wieviel davon? Dem gingen die Teilnehmenden in zwei Kongresstagen mit acht großen Themenkomplexen im großen Auditorium und einem Parallelstrang bestehend aus aktiven Workshops auf den Grund.

Im Eröffnungsteil des Kongresses mit Grußworten von Thomas Kufen, Oberbürgermeister der Stadt Essen, Claudia Middendorf, Beauftragte der Landesregierung für Menschen mit Behinderung sowie für Patientinnen und Patienten in Nordrhein-Westfalen, Sandra Postel, Präsidentin der Pflegekammer in Nordrhein-Westfalen und Prof. Dr. Anke Hinney, Kommissarische Direktorin des Instituts für Geschlechtersensible Medizin, Prodekanin für Akademische Karriereentwicklung und Diversität, Medizinische Fakultät der Universität Duisburg-Essen und Prof. Dr. Jochen A. Werner, Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Essen wurde deutlich: Die Entscheidung, die 17. Jahrestagung des Aktionsbündnisses Patientensicherheit im Universitätsklinikum Essen abzuhalten, war äußerst passend. Das Klinikum steht für herausragende Forschung und geballtes Wissen, die unverzichtbare Grundlagen für eine kontinuierliche Verbesserung der Patientensicherheit bilden. Die enge Verzahnung von Wissenschaft, klinischer Praxis und dem Engagement für Patientensicherheit machte das Universitätsklinikum Essen zum idealen Ort, um innovative Konzepte und Strategien zu diskutieren, die letztlich dem Wohl der Patienten dienen.

So befasste sich auch der erste Slot der APS-Jahrestagung mit „Aktivitäten Versorgungsforschung zur Patientensicherheit“ mit Forschung zur Patientensicherheit vorgestellt von Larissa Brust, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Patientensicherheit (IfPS) Universitätsklinikum Bonn, Lion Lehmann, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Universitätsklinikum Köln, der Vorstellung des PSI Bund-Projekts
Prof. Dr. Prof. Dr. Silke Kuske, Professorin im Lehrgebiet Pflegewissenschaft und Versorgungsforschung, Studiengangsleitung Versorgungsforschung und Management im Gesundheitswesen (M.Sc.), Prof. Dr. Max Geraedts, Leiter des Instituts für Gesundheitsversorgungsforschung und Klinische Epidemiologie der Philipps-Universität Marburg unter der Moderation von Philipp Rodenberg aus dem APS-Vorstand.

Patient:innen selbst können durch aktive Kommunikation einen Beitrag zu Patientensicherheit

Patientensicherheit kann nur mit und durch die Patient:innen selbst erreicht werden. Diese eindrucksvolle Botschaft haben drei engagierte Frauen bei der APS Jahrestagung unterstrichen:

Dagmar Lüttel von Die Techniker (TK) stellte vor, wie sie ihre Versicherten einbinden. Sie nutzen die rund 7.000 Meldungen und Gutachten, die bei der TK eingehen, als Informationsquelle, um in Kooperation mit dem APS daraus Patientensicherheits-Signale mit konkreten Handlungsempfehlungen zu veröffentlichen.

Am 17.09. wird zudem der 5. TK Monitor Patientensicherheit veröffentlicht. Kleiner Spoiler: Das Bewusstsein für Patientensicherheit und das Interesse daran unter den Befragten ist groß!

Bettina Godschalk, Projektleiterin des APS-Projekts „Patient:innen für Patientensicherheit“ stellte die emotionale Videoreihe „Stimmen für Patientensicherheit“ (www.stimmen-fuer-patientensicherheit.de) vor, die vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) gefördert wurde. Ziele des Projekts sind: Patient:innen Mut machen, Fragen zu stellen und das medizinische Fachpersonal zu sensibilisieren für die Stimmen der Betroffenen. In einem weiteren Projekt konnten die Betroffenen durch ein Mediatraining für Fachkongresse sowie Öffentlichkeitsarbeit stark gemacht werden und der Flyer „Speak-Up“ mit konkreten Hilfestellungen für Betroffene ist entstanden.

Ellen Heyd, Projektleiterin von #DeutschlandErkenntSepsis, stellte die Relevanz der Betroffenen-Geschichten auch bei der Aufklärungskampagne über Sepsis in den Fokus: Durch sie erhalten wir ein viel klareres Bild über Sepsis, eine der häufigsten Todesursachen in Deutschland. Sie rief zudem zum Mitmachen auf: Bestellen Sie die Materialien auf unserer Webseite www.deutschland-erkennt-sepsis.de und verteilen Sie diese. Folgen Sie den Social Media Kanälen @deerkenntsepsis (Instagram) und helfen so mit, Sepsis-Wissen zu verbreiten. Und wenden Sie sich an uns über info@deutschland-erkennt-sepsis.de, wenn sie sich zum Beispiel für eine lokale Sepsis-Initiative stark machen wollen.

Safety II – Ein systemischer Ansatz für die Patientensicherheit

Im Rahmen eines weiteren Slots gestalteten Prof. Dr. Thomas Mühlbradt, FOM Hochschule für Oekonomie & Management gGmbH, Dr. Tillmann Speer, Klinikum Itzehoe, Dr. Helga Unger, FOM Hochschule für Oekonomie & Management gGmbH und Prof. Dr. Stefan Schröder, APS-Vorstandsmitglied den Slot 4: Safety II – Ein systemischer Ansatz für die Patientensicherheit. Sie stellten den Ansatz Safety-II als Antwort auf die Komplexität des klinischen Alltags vor. Einen innovativen Ansatz, der bewährte Methoden und praktische Erfahrungen aus Forschung und klinischer Praxis vereint, um die Patientensicherheit zu steigern. Während Safety I Fehler analysiert, basiert Safety II darauf, aus Erfolg zu lernen und konzentriert sich auf die Weise des Arbeitens. Ein Aspekt der Session bestand darin, zu erläutern, wie WHO-Resilienz-Potentiale gemessen werden können. Zudem erklärten die Referenten, wie man klinische Prozesse mit der FRAM (= Funktionale Resonanzanalysemethode) besser verstehen kann. Safety II fokussiert auf die positiven Behandlungsverläufe und die Anpassungsfähigkeit des Systems, um Schwächen aufzudecken und gezielte Verbesserungen vorzunehmen.

Zu diesem Thema ist auch das Buch „Safety II: Neue Wege zur Patientensicherheit“ erschienen. Herausgeber ist neben der FOM Hochschule das Aktionsbündnis Patientensicherheit. Erschienen ist „Safety II: Neue Wege zur Patientensicherheit“ im Verlag Springer Gabler. Die Autoren sind APS-Vorstandsmitglied Stefan Schröder, Thomas Mühlbradt (FOM) und Tillmann Speer (Klinik für Anästhesiologie, Klinikum Itzehoe).

Am 21. September – direkt in der Woche des Welttags der Patientensicherheit – findet ebenfalls dazu der Safety II-Workshop „Patientensicherheit neu gedacht“ statt.

KI und Digitalisierung: Erschließung und Strukturierung von Daten kann die Patientensicherheit erheblich verbessern

Der zweite Tag der APS-Jahrestagung startete mit der Aussage: „KI ist am wertvollsten, wenn sie Menschen ermöglicht, bessere Entscheidungen zu treffen.“

Prof. Dr. Felix Nensa (Radiologie mit Schwerpunkt Künstliche Intelligenz am IKIM) und Bernadette Hosters M.Sc. (Leitung Entwicklung und Forschung Pflege) beide vom Universitätsklinikum Essen sowie Maximilian Schoenberg (Experte für KI-gestützte Datenanalyse im Gesundheitswesen, Geschäftsführer von Lucius Solutions UG und APS-Mitglied) stellten vor, wie dies gelingen kann:

Zentral ist die Erschließung und Strukturierung von Daten. Im UK Essen wurde eine Datenbank und Plattformen entwickelt, die patientenzentriert sind und dem medizinischen Fachpersonal schneller einen vollständigeren Überblick sowie interdisziplinären Austausch bietet. Zudem hilft KI bei der Auswertung bildgebender Verfahren, beim Finden der relevanten Informationen in der Patient:innenakte und bei der Überwindung von Sprachbarrieren durch Echtzeit-Übersetzungen. Dies führt nicht nur zu besseren Entscheidungen, sondern spart auch Zeit, die dann für die Patient:innenbetreuung zur Verfügung steht.

Ziel bei der Nutzung strukturierter Daten ist es, die Patientjourney und damit die Patientensicherheit zu verbessern: Risiken sollen vorab erkannt und eliminiert werden, indem einerseits die systemischen Routinen optimiert werden – wir lernen von Erfolgen wie Misserfolgen. Andererseits dienen die Auswertungen in jedem individuellen Fall dazu, schwerwiegende Ereignisse zu verhindern und eine bestmögliche Behandlung zu gewährleisten.

Diagnosesicherheit: ein Blick, unterschiedliche Perspektiven – auf das Thema des Welttags der Patientensicherheit 2024

Diagnosesicherheit ist das Thema des diesjährigen Welttags der Patientensicherheit, den die WHO jährlich festlegt. An der Podiumsdiskussion dazu nahmen aus Patient:innenperspektive Sabine Bree, der Kontakt entstand über das Institut für Patientenerleben der Universitätsmedizin Essen, die Medizinjuristin Barbara Brenner, der Pflegewissenschaftler Prof. Dr. Sascha Köpke vom Institut für Pflegewissenschaft der Universität zu Köln, Medizinische Fakultät und Uniklinik Köln  und Prof. Dr. Stefan Schröder aus dem APS-Vorstand und Chefarzt und Facharzt für Anästhesiologie teil. Eine sichere Diagnose ist essenziell für eine wirksame und rechtzeitige Behandlung von Patient:innen, wobei Transparenz im Umgang mit Patient:innen eine zentrale Rolle spielt. Die Podiumsdiskussion betonte die Bedeutung von Interprofessionalität, Patienteneinbindung und Einhalten von Standards, um Patientensicherheit sicherzustellen und die Diagnosesicherheit in Gesundheitseinrichtungen zu verbessern.

Nie mehr Never Events und Patient:innen-CIRS unter Einbeziehung der Patient:innenperspektive

Die Patientensicherheits-Schwesternorganisationen Österreich und Schweiz, Dr. Brigitte Ettl, Präsidentin der Österreichischen Plattform Patientensicherheit, und  Dr. Annemarie Fridrich, Geschäftsleiterin Stiftung Patientensicherheit Schweiz, stellten ihre aktuellen Aktivitäten dar. Ferner berichteten Mitglieder des Vorstands vom 6. Global Ministerial Summit on Patient Safety in Chile. Österreich fokussiert besonders die so genannten Never Events unter dem Stichwort „Nie mehr Never Events im österreichischen Gesundheitswesen“. Never Events sind klar identifizierbare schwerwiegende Ereignisse innerhalb der Gesundheitsversorgung, die als vermeidbar gelten und bei denen Patientinnen und Patienten zu Schaden kommen. In Österreich wurden 12 Never Events definiert, und schilderte, welche Strategien dort verfolgt werden, um diese vermeidbaren Never Events aus dem Gesundheitssystem zu eliminieren. Dr. Annemarie Fridrich beleuchtete die aktuellen Herausforderungen der Patientensicherheit in der Schweiz und erläuterte die Arbeit an einem Patient:innen-CIRS unter Einbeziehung der Patient:innenperspektive.

In der Fortsetzung der Global Ministerial Summit Tradition nach Berlin, Tokyo, Jeddah und Montreux – jedes Summit hatte ein bestimmtes Motto (2017 Ökonomie der Patientensicherheit, 2018: Patientensicherheit in einer alternden Gesellschaft, 2019: High Risk Organisationen, 2023: Patient for Patient Safety – präsente der Summit für dieses Jahr das Themenspektrum Shared Decision Making und die Verantwortung von Manager:innen und ärztlichen Leitungen von Gesundheitseinrichtungen zur Schaffung einer Sicherheitskultur sowie den Aufbau von IT-Systemen zur Unterstützung von Patientensicherheit. Es gab Einblicke der einzelnen Nationen dahinein, wie diese den Global Patient Safety Action Plan umsetzen. Gausmann: „Deutschland liegt hier zurück. Andere Nationen haben nationale Institionen errichtet, die den Gradmesser der Patientensicherheit darstellen. Eine solche Institionalisierung konnte in Deutschland bislang nicht erfolgen. Messbare Daten für Patientensicherheit sind in Deutschland nicht verfügbar.“ Mit diesem Bericht vom 6. Global Ministerial Summit on Patient Safety in Chile ergänzten Philipp Rodenberg und Dr. Peter Gausmann aus dem APS-Vorstand den Slot, den die Vorsitzende Dr. Ruth Hecker moderierte und den die Tagungs-Teilnehmer:innen des Bundesministerium für Gesundheit ebenfalls rege kommentierten, da sie in der Organisation des Minsterial Summits immer stark eingebunden sind.

Postoperatives Delir und Patientensicherheit

In Deutschland treten nach Operationen und intensivmedizinischer Behandlung häufig kognitive Störungen wie Delir oder postoperative Demenz auf, besonders bei älteren Patienten. Ein unbehandeltes Delir kann sehr gefährlich sein, mit einer hohen Sterblichkeitsrate. Dennoch wird Delirmonitoring nicht in allen Krankenhäusern durchgeführt. Präventive Maßnahmen und eine frühzeitige Behandlung sind entscheidend. Clara Heuer, Demenzbeauftragte der Niels Stensen Kliniken Stabstelle Pflegewissenschaft, Dr. Florian Lammers-Lietz von der Charité und PD Dr. Peter Nydahl, MScN, Pflegewissenschaftler, Krankenpfleger, Praxisanleiter, Kurs- und Weiterbildungsleiter für Basale Stimulation, Pflegeexperte für Menschen im Wachkome, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, stellten im 8. und finalen Slot im großen Auditorium der APS-Jahrestagung 2024 Ansätze und Strategien für Postoperatives Delir und die Erhöhung von Patientensicherheit vor. Dr. Fatima Halzl-Yürek moderierte den Slot.

Im Rahmen der Jahrestagung erfolgte auch die Verleihung des Deutschen Preises für Patientensicherheit 2024 an drei Preisträger.

Zahlreiche Stimmen aus der Teilnehmerschaft betonten, dass sie Inspirationen schöpften aus der Weise, wie sich hoch kompetente Menschen für Patientensicherheit engagieren und sie aus den informativen Vorträgen wertvolle Anregungen für ihre Arbeitsbereiche mitnehmen konnten.

APS-Jahrestagung in Essen (29./30.8.): Bilder von Teilnehmern und Zuschauern

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