Berlin, 19. November 2024 – Übergaben in zentralen Notaufnahmen stellen für die Patientensicherheit eine kritische Phase dar. In einer Umgebung geprägt von hohem Stress und Zeitdruck bergen Übergaben zwischen Rettungsdienst, Pflegepersonal und Ärzt:innen ein erhebliches Fehlerrisiko. Unterschiedliche Kompetenzniveaus und eine schnelle Patientenfluktuation verstärken diese Herausforderungen zusätzlich. Mit der Einführung der evidenzbasierten Merk-hilfe „SINNHAFT“ sollen nun klare Standards für den Übergabeprozess gesetzt werden, um die Sicherheit und Qualität der Versorgung zu erhöhen. SINNHAFT steht dabei für: Start Identifikation Notfallereignis Notfallpriorität Handlung Anamnese Fazit und Teamfragen. Die Merkhilfe ist von Prof. Gräff und Mitarbei-tern der Universitätsklinik Bonn entwickelt worden und wird in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin e.V. (DGINA) zur Verfügung gestellt und vom Aktionsbündnis Patientensicher-heit unterstützt.
„Eine gut strukturierte und standardisierte Übergabe kann Leben retten. Der Ansatz von ‚SINNHAFT‘ schafft eine gemeinsame Sprache und Struktur für alle an der Not-fallversorgung beteiligten Berufsgruppen und verringert so das Risiko von Fehl-kommunikation“, erklärt Dr. Ruth Hecker, Vorsitzende des Aktionsbündnis Patien-tensicherheit.
Hohe Risiken bei unzureichenden Übergaben
Studien verdeutlichen die Relevanz der Übergabequalität für die Patientensicher-heit: Eine Analyse von Behandlungsfehlern in den USA zeigt, dass in 24 % der un-tersuchten Fälle eine fehlerhafte Übergabe zu einer verzögerten oder versäumten Diagnose beitrug. Auch in Australien wurde ein Zusammenhang zwischen komple-xen Patientensituationen und sinkender Übergabequalität nachgewiesen. Fehldi-agnosen, Medikationsfehler und andere Risiken können durch Missverständnisse und Informationslücken während der Übergabe entstehen und die Patientensi-cherheit gefährden.
„SINNHAFT“ bietet eine strukturierte Grundlage, die auf den Prinzipien des Crew Resource Managements basiert. Diese beinhalten klare Übergabemuster wie den definierten Startpunkt, ruhige Bedingungen sowie Face-to-Face-Kommunikation und „Closed-Loop“-Techniken zur Vermeidung von Missverständnissen. Kommuni-kationspsychologische Ansätze, wie das Vermeiden des Framing-Effekts und das Einbinden der cABCDE-Notfallmaßnahmen, sind ebenfalls integriert, um Missinter-pretationen zu minimieren.
„SINNHAFT“ – kostenfrei für Notfallteams zugänglich
Alle Publikationen, eine Lernplattform, eine Pocketcard und Schulungsmaterialien zu „SINNHAFT“ stehen online zur freien Verfügung (https://notfall-campus.de/sinnhaft/). Diese frei zugänglichen Ressourcen sollen dazu beitragen, „SINNHAFT“ in allen Notaufnahmen in Deutschland zu etablieren und die Kommu-nikation bei Übergaben flächendeckend zu verbessern.
Ziel: Standardisierung im gesamten Gesundheitswesen
Das Aktionsbündnis Patientensicherheit unterstützt die bundesweite Einführung der „SINNHAFT“-Merkhilfe und die laufenden Studien zur Evaluierung. Eine bun-desweit standardisierte Übergabe könnte künftig auch auf andere Schnittstellen wie OP oder Intensivstationen ausgeweitet werden und so eine kontinuierliche Verbes-serung der Übergabemethoden gewährleisten.
„Eine flächendeckende Einführung von ‚SINNHAFT‘ bedeutet größere Sicherheit in der Patientenversorgung, sondern auch eine wesentliche Entlastung für die Teams in der Notfallmedizin“, betont Dr. Hecker. „Wenn Übergabe, dann SINNHAFT.“
Zum Download der SINNHAFT-Pocketkarte: https://notfall-campus.de/wp-content/uploads/2024/08/Pocketkarte_SINNHAFT.pdf